Loben beruhigt und erzeugt Bindung
Pferde werden meist als Anerkennung einer vorherigen Leistung gelobt. Lob ist tatsächlich das wichtigste Mittel der Ausbildung und der Verbindung zum Pferd. Allerdings ist es so spannend zu sehen, wie wirkungsvoll ein Lob ist, wenn es nicht nur als Anerkennung, sondern auch zur Bestätigung oder sogar zur Beruhigung eingesetzt wird. Das muss ja nicht jedesmal überschwänglich sein, ein kurzes Streicheln am Hals oder Widerrist wird vom Pferd auch als Signal verstanden: „Alles gut!“ Es setzt natürlich voraus, dass Du das in dem Moment auch so meinst, also es so empfindest. Sonst spürt Dein Pferd sofort die Inkongruenz zwischen Deiner Bewegung des Streichelns und Deiner inneren Haltung.
Ein weiterer Aspekt spielt eine große Rolle: Kraulen am Widerrist führt beim Pferd durch
die Ausschüttung von Endorphin und Dopamin zur Entspannung und erzeugt Bindung – auch wenn es vom Menschen erfolgt, und sogar, wenn es beim Reiten passiert.
Probiere doch einfach mal aus, was passiert, wenn Du beim Reiten etwas von Deinem Pferd verlangst, was es nicht gut kann oder nicht gern tut. Vermutlich wird Dein Pferd dabei – zumindest leichte – Anspannung haben. Wenn Du nun mittendrin anhältst und streichelst oder dies in der Bewegung tust, ist es ein positives Signal; Dein Pferd wird es mit nachlassender Anspannung bzw. Entspannung beantworten. Wenn Du Dir dies im Umgang mit Deinem Pferd zur Gewohnheit machst, ist dies ein positives Ankern dieses Moments bei Deinem Pferd. Und das kannst Du abrufen, wenn Du bzw. Dein Pferd es braucht.
Durchaus umstritten sind Leckerlis als Lob. Mit Leckerlis kann ich jedoch gezielt das Kauen des Pferdes verursachen. Säugetiere hören auf zu fressen, wenn sie Stress haben. Umgekehrt bedeutet das: Kauen wirkt beruhigend und damit stresslösend. Ich finde, damit erübrigt sich die Diskussion, ob Du Deinem Pferd auf diese Weise helfen darfst. Aus eigener Erfahrung und auf Betreiben von Volker Eubel (Grand Prix-Reiter, -Trainer und -Richter, Head Coach der singapurianische Nationalmannschaft und Para-Trainer) bin ich zum großen Befürworter von Leckerlis während des Reitens geworden.
Um potentiellen Kritikern den Wind aus den Segeln zu nehmen:
- Es gibt sehr gute und zudem gesunde Leckerlis.
- Viele Leckerlis verfärben den Speichel und damit den Schaum am Maul des Pferdes nicht.
- Ich merke, ob mein Pferd ein Leckerli in einem bestimmten Moment braucht oder einfach nur gern haben will. Es liegt an meiner Achtsamkeit und meinem konsequenten Verhalten, entsprechend zu agieren.
In Anlehnung an Hippokrates: Wer heilt, hat recht. Entscheidend ist das Pferd. Und wenn ich mit Lob und Leckerlis die Gelassenheit meines Pferdes fördern kannst, ist es absolut legitim.